1. Advent

29. November 2020

Der König auf dem Esel

 

Liebe Gemeinde,

Manch einer mag sich noch an diese Szene erinnern: Inmitten der großen Menge wird auf dem großen Platz vor der Zitadelle der neue König gekrönt. Er erklärt eine neue Zeit des Friedens und des Wiederaufbaus. Die Menge jubelt. Nach der langen Finsternis kommen nun hoffentlich bessere Zeiten. Das ist ein passendes Ende für ein großes Märchen, ein Ende voller Glanz und Herrlichkeit. So endet die Geschichte im „Herrn der Ringe“, wie so viele Märchen, in Glanz und Gloria.

 

In diesen Tagen rufen auch wir Christen uns wieder zu: „Machet die Tore weit, und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehre einziehe!“ Wir richten unseren Blick in der Zeit des Advent schon auf Weihnachten, die Geburtsstunde unseres Königs, Jesus. Unsere Lieder in dieser Zeit spiegeln den Jubel darüber wieder. „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit.“, „Tochter Zion, freue dich.“ Die Liste ließe sich fortsetzen.

 

Aber Glanz und Gloria bleiben bald auf der Strecke. Der Prophet Sacharja sagt, dass der König arm daherkommt und auf einem Esel reitet. Das wirkt schon ein bisschen armselig. Kein stolzes, geschmücktes Schlachtross, keine edlen Gewänder und keine weithin sichtbare Krone. Gut, das passt zu dem Kind, dass in einem Stall geboren wird und in eine Futterkrippe gelegt werden muss. Aber ein bisschen mehr Bombast wünschen wir uns doch schon.

 

Aber es ist kein Zufall, dass dieser König auf einem Esel daherkommt. Der Esel ist nicht nur ein Fortbewegungsmittel für Arme. Er ist außerdem ein Zeichen. So schnell wie ein Pferd kann er nicht laufen, schnelle Angriffe oder Finten sind mit ihm nicht möglich. Wer also auf einem Esel angeritten kommt, bei dem weiß man gleich, dass er nichts Übles im Schilde führt. Wer auf einem Esel reitet, der kommt in Frieden.

 

Unser König kommt also in Frieden. Frieden bringt er, und das vor allem für die Armen und Kleinen. Er stellt sich nicht auf die Seite der Prächtigen, wo ein König ja eigentlich hingehört, sondern macht sich gemein mit denen, die ganz unten stehen. Der Friede auf Erden, den die Engel auch dieses Jahr wieder zu Weihnachten verkündigen werden, der kommt von dem König selbst und geht direkt zu denen, die klein, arm und unbedeutend scheinen. Denn genau da, bei ihnen, gehört dieser König hin.

 

Deswegen gehört eben auch der banale, langsame, manchmal auch etwas störrische Esel zu diesem König. Im Übrigen auch so mancher Esel auf zwei Beinen.

 

Guter Gott,

Du kommst als König, aber zu denen, die ganz unten sind. Du bist ein König von Eseln, Armen, Schwachen und Kleinen. Lass uns das nie vergessen, und in all dem Glanz und Gloria dieser Welt nicht jene aus den Augen verlieren, denen dein Herz gehört.

Amen.

Olaf Gieseke
Pastor Olaf Gieseke