Andacht - Es ist ein Ros entsprungen
Liebe Gemeinde,
In den letzten Wochen haben einige sicher noch Blumenzwiebeln in ihren Gärten in die Erde gelegt. Sollte ja auch tunlichst vor dem Frost, der ja diesen Winter vielleicht doch noch kommt, erledigt sein. Von Krokussen bis zu Tulpen ist sicher wieder alles dabei.
So besonders ansehnlich ist so eine Blumenzwiebel ja nicht gerade. Ein knubbeliges, kleines Ding. Unförmig und hier und da vielleicht ein bisschen Dreck. Wer nicht weiß, worum es sich handelt, würde kaum glauben, dass aus diesen kleinen Teilchen etwas so Schönes werden kann, wie die Blumen, die im Frühjahr wieder so viele Gärten schmücken werden.
Die Anfänge dieser Blütenpracht sind mehr als unscheinbar. Aus der unscheinbaren, knubbeligen Zwiebel bricht zunächst einmal ein Keim hervor, der noch nicht ansehnlicher ist als die Zwiebel selbst. Dieser Keim beginnt aber zu wachsen, bricht aus dem Boden hervor und bildet nach und nach einen Stängel. Es ist schon erstaunlich, wo immer wieder diese Kraft zum Wachstum herkommt. Ja, es dauert dann noch ein bisschen, bis zum herrlichen Abschluss die Stängel mit den wunderschönen Blüten gekrönt werden. Aber der Anblick ist jedes Jahr wieder das Warten wert. Und das alles aus dieser unscheinbaren Zwiebel!
So unscheinbar und geradezu dreckig sind auch die Umstände der Weihnachtsgeschichte. IN der Mitte eines Herumgeschubsten und kleinen, unbedeutenden Volkes macht sich ein noch bescheideneres junges Paar auf den Weg zur Volkszählung. Die hochschwangere Frau muss ihr Kind in einem Stall zwischen Ochs und Esel zur Welt bringen und auf Stroh betten. Noch erbärmlicher geht es eigentlich kaum. Kaum vorstellbar, das in dieser Umgebung gerade der König der Welt geboren wurde. Aber es ist eben nicht anders, als mit den Blumenzwiebeln. So unscheinbar, knubbelig und dreckig fängt die Geschichte des Königs an. Und genau wie die Blumen, so wird auch diese Geschichte langsam aber sicher über ihre dürftigen Anfänge hinauswachsen. Aus dem Kleinen, Unscheinbaren wird schließlich das Allergrößte und Allerschönste. So hatte es schon der Prophet Jesaja vorhergesagt: „Es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen.“ Und was für eine Frucht das ist. Alle Blüten der Welt könnten zusammen genommen nicht so ansehnlich sein.
Die Prophezeiung Jesajas ist seinerzeit aufgenommen worden in das Weihnachtslied „Es ist ein Ros entsprungen.“ Eines der zartesten und einfühlsamsten Weihnachtslieder die wir kennen. Es spiegelt diesen kleinen, überschaubaren Anfang wieder. Geradezu unbedeutend wirkt es manchmal zwischen dem „O du fröhliche“ und „Herbei oh ihr Gläub’gen“ dieser Zeit, aber wenn man ihm bewusst nachsingt und -hört, spürt man in seinen Zeilen die unglaubliche Kraft dieses so unscheinbar wirkenden Anfangs. Und wenn der Reis erst mal ausgewachsen ist, werden selbst die größten Lieder neben ihm verblassen.
Guter Vater,
Heute nehmen wir wieder dein wundervolles Geschenk, deinen Sohn, an. Hilf, dass wir gerade in diesen Zeiten erfahren, wieviel Kraft in dieser Weihnacht liegt und von diesem Kind im Stroh uns zuwachsen kann.
Amen.